Die Suche nach dem Grab von Nathanael Matthaeus von Wolf
Nathanael Matthäus von Wolf, geboren am 28. Januar 1724 in Konitz, gestorben am15. Dezember 1784 in Danzig, war ein pommerisch-preußischer Botaniker, Arzt und Astronom. Sein offizielles botanisches Autorenkürzel lautet „Wolf“; früher war wohl auch das Kürzel „N. M. Wolf“ in Gebrauch. 1205 wurde Conitz (Chojnice) im ostpommerschen Herzogtum der Samboriden gegründet. Dieses Herzogtum wurde 1308/09 eroberte der expandierende Deutsche Orden das Herzogtum und fügte es in seine Ländereien ein. Nach der Schlacht bei Tannenberg 1410, die mit der Niederlage des Ordens endete, besetzten polnische Truppen die Stadt. 1440 wurde die Stadt Mitglied im Preußischen Bund.
Doch bereits sechs Jahre später, 1446, brach Konitz die Verbindungen zu den Preußischen Ständen wieder ab. Nach dem Dreizehnjährigen Städtekrieg kam Konitz im Zweiten Frieden von Thorn 1466 vom Deutschordensstaat Preußen an das autonome Preußen Königlichen Anteils (Westpreußen), welches sich freiwillig der Oberhoheit der polnischen Krone unterstellt hatte. Mit der Lubliner Union von 1569 endete auch die Autonomie des königlichen Preußens, als der polnische Sejm angesichts der Kinderlosigkeit des letzten Jagiellonen Sigismund II. August die bisherige Personalunion Polens, Litauens und Preußens in eine Realunion umwandelte, um einem Zerfall des Reiches vorzubeugen.
Schon vierzig Jahre zuvor, noch zu Lebzeiten seines Vaters, war Sigismund vom polnischen Adel unter der Auflage zum König gewählt worden, alles für die vollständige Integration Litauens und Preußens in das Königreich zu tun. Im Rahmen der ersten polnischen Teilung 1772 kam Konitz unter Friedrich II. von Preußen zum Königreich Preußen und gehörte fortan bis Januar 1920 zur preußischen Provinz Westpreußen, zwischenzeitlich auch zur (vereinigten) Provinz Preußen. 1724, als Nathanael Matthäus von Wolf geboren wurde, stand Konitz unter polnischer Herrschaft. Sein Leben und Studium führte ihn jedoch auf das Gebiet des Deutschen Reiches, bis er sich schließlich in Danzig niederließ, zu der Zeit Freie Stadtrepublik unter polnischer Oberhoheit
. Dort praktizierte und forschte er als Arzt und errichtete ein Observatorium für astronomische Forschungen. Über seine Eltern gibt es nur wenig Informationen, doch müssen sie recht früh verstorben sein, denn es wird berichtet, dass er nach dem Besuch des angesehenen Akademischen Gymnasiums in Danzig "trotz des Abrathens seiner Vormünder, und unter drückendster Dürftigkeit" wohl zunächst in Jena, dann in Leipzig und Halle ein breit angelegtes Studium der Medizin aufnahm. Nach der Promotion 1748 in Erfurt ließ er sich praktischer Arzt in Warschau nieder. Um dann für drei Jahre der Leibarzt des Fürstbischofs von Posen, Theodor Czartoiski zu werden. Von 1752 an fungierte er drei Jahre als Stadtphysikus von Konitz, seiner Heimatstadt.
Danach trat er als Leibarzt in die Dienste des polnischen Krongroßmarschalls, Fürst Lubomirski, war zwischenzeitlich auch kurze Zeit wieder in Danzig und begab sich 1758 mit dem Fürsten auf eine gut dreijährige Reise durch Ungarn, Österreich, Deutschland, Frankreich, Holland und wahrscheinlich auch England. Sein Interesse an Sprachen, an der Wissenschaft und an fremden Ländern führten ihn in den Jahren danach auf eigene Kosten nach Italien. Neapel, Livorno und Genua werden als Aufenthaltsorte genannt, durch die Schweiz und Deutschland reist er wieder nach Holland und England. In London blieb er einige Jahre, führte hier eine bedeutende ärztliche Praxis und errang durch seine wissenschaftlichen Arbeiten die Aufnahme in die Royal Society und in die Londoner "Gesellschaft zur Aufmunterung der Künste, der Manufakturen und des Handels".
Wolf leistete in der damaligen Medizin große Beiträge. Er war der erste Arzt in Danzig, sogar der erste in Polen, der Kinder und Erwachsene in großer Zahl gegen Pocken impfte, und dass schon im Jahre 1776. Eine gute Beschreibung einer solchen Impfung findet sich in den "Danziger Memoiren der Jugend" von Joanna Schopenhauer. Auch eine Schrift zum Thema Pest hat Wolf veröffentlicht: Unterricht vors Volk gegen die Pest: Das 61 Seiten starke Heft erschien 1770 bei Daniel Ludwig Wedel in Danzig. Der Verfasser ist auf dem Titelblatt nicht genannt, doch wird von Wolff von allen seinen Biographen als Autor des Werkes angeführt.
Eine weitere Schrift ist Unterricht gegen die Kinderblattern (Pocken): dieses 96 Seiten starke Büchlein erscheint 1772, ebenfalls beim Verlag Daniel Ludwig Wedel in Danzig. Auf dem Danziger Bischofsberg (Biskupia Górka) errichtete er eine Sternwarte, in deren Nähe er nach seinem Tode auch begraben werden wollte. Diese Sternwarte vermachte er in seinem Testament der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Anlässlich seines 10. Todestages stiftete diese Gesellschaft eine Ehrentafel. In den Wirren der Kriege gegen das Zarenreich, die auch in Danzig tobten, wurde sein Grab, welches außerhalb der Stadtmauern lag, zerstört.
Die Sternwarte, die bei der Belagerung Danzigs vorsorglich demontiert und in Sicherheit gebracht wurden war, wurde nach dem Krieg wieder aufgebaut, ging aber im Laufe der folgenden Jahrhunderte endgültig verloren, ihr Standort geriet in Vergessenheit. In seinem Testament verfügte Wolf, seinen Körper nach dem Tod in einem versiegelten und mit einer Flüssigkeit nach einem Geheimrezept gefüllten Sarg aufzubewahren, um ihn zu konservieren. Laut seiner Anweisung an die Hinterbliebenen sollte der Sarg erst nach 100 Jahren wieder geöffnet werden um die Wirkung dieses Vorhabens zu sehen. Doch die Kollegen der Naturgesellschaft warteten nicht hundert Jahre, sondern öffneten schon ein paar Jahre früher,1877, den versiegelten Sarg. Es stellte sich heraus, dass er undicht geworden war.
Die gesamte Konservierungsflüssigkeit war ausgelaufen. Sie fanden nur das Skelett des Forschers, welches sich allerdings in gutem Zustand befand und begruben es erneut, 20 Schritte von der Sternwarte entfernt, so wie Wolf es verfügt hatte. Die letzten Spuren seines Grabes wurden nach dem zweiten Weltkrieg getilgt. Nach Zeitzeugenaussagen war es die Volkspolizei, die direkt über dem Grab eine Garage errichtete. Leider war es nach dem Krieg an der Tagesordnung, dass nicht nur deutsche Gräber, sondern alles, was irgendwie deutsch anmutete, mutwillig zerstört wurde. Es sollte Jahrzehnte dauern, bis in der Gesellschaft ein Umdenken begann, und einzelne Enthusiasten versuchten, die spärlichen Reste der gemeinsamen Geschichte zu suchen und zu erhalten.
Auch die neue Geschichte des Grabes begann mit dem Fund eines kaum bekannten Buches aus dem Jahr 1949 durch den Fremdenführer Ryszard Kopittke. Das Buch enthielt detaillierte Informationen über die Grabstätte und deren Lage. Weitere Informationen steuerte der Historikers Jan Daniluk bei. Es gab im Buch eine genaue Lagebeschreibung: 150 Meter von den Häusern der Bruderschaft entfernt, zwischenzeitlich das Wohnheim der Polytechnik, 150 Meter vom Eingangstor, direkt neben der Mauer, rechts von der Kasematte. Für uns war es eine große Überraschung, dass sich das Grab auf einem so niedrigen Niveau befinden sollte. Wolfs Wunsch war es laut seinem Testament "mit Blick auf Danzig" begraben zu werden, also dachten wir, es sei höher, vielleicht auf dem Wall gelegen, aber niemals hätten wir es dort im Tal vermutet. Doch mit dieser präzisen Ortsangabe schafften wir eine Punktlandung.